Tauber Alfred
Alfred Tauber wurde am 5. November 1866 in Pressburg geboren. Das Gymnasium besuchte er bereits in Wien, 1884 immatrikulierte er an der Universität Wien und studierte Mathematik
(bei E.Weyr und G.Escherich), Physik und hörte Vorlesungen aus Philosophie, Nationalökonomie
und Statistik. Das Studium beendete er 1889 mit ausgezeichnetem Erfolg.
Zwei Jahre später habilitierte er sich mit einer in den "Monatsheften für Mathematik und Physik" erschienenen Arbeit über Potenzreihen und erhielt den Titel "Privatdocent". Damit erwarb er die Berechtigung, an der Universität Vorlesungen
zu halten, es war damit aber weder Anstellung noch Bezahlung verbunden.
Er konnte allerdings 1892 die Position eines Chefmathematikers
der Versicherungsanstalt “Phönix” erreichen, damit war sein Lebensunterhalt zunächst gesichert.
In den nächsten zehn Jahren entwickelte Tauber eine beachtliche mathematische Forschungstätigkeit. Seine wichtigsten Arbeiten (über komplexe Analysis und Reihen) fallen in diese Zeitspanne.
Es war ihm auf Grund einer ungünstigen personellen Situation am Mathematischen Institut der Universität Wien zunächst nicht möglich, eine Professorenstelle
zu erhalten. Tauber wandte sich daher immer mehr versicherungstechnischen Problemen zu und veröffentlichte dazu eine Reihe von Arbeiten; er galt bereits
nach kurzer Zeit auf diesem Gebiet als Fachmann.
Erst 1908 wurde Tauber zum außerordentlichen Professor ernannt,
mit der Verpflichtung, über Versicherungsmathematik vorzutragen.
Die Stelle bei der Versicherungsanstalt hatte er aufgegeben.
Während des ersten Weltkrieges konnte er weiterhin Vorlesungen halten,
denn aus Altersgründen wurde er nicht eingezogen.
Erst im März 1919, mit 53 Jahren, erhielt Tauber den Titel eines ordentlichen Professors. Er publizierte dann auch wieder über rein mathematische Themen, vorwiegend über lineare Differentialgleichungen und Potentialtheorie.
1933 wurde Tauber in den Ruhestand versetzt und mit dem "Großen Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich" ausgezeichnet.
Als emeritierter Professor hielt er aber noch drei Jahre lang seine Vorlesung
über Versicherungsmathematik und las bis 1938 auch noch über Mathematische Statistik.
Er war nun ein geschiedener, kinderloser, kränklicher und sehr zurückgezogen lebender Mann, als sich im März 1938 mit dem Einmarsch Hitlers in Österreich
die politische Situation gewaltig änderte.
Tauber konnte keinen Ariernachweis erbringen; er war in der Folge gezwungen, seine Wohnung aufzugeben und sein Eigentum zu veräußern.
1941 ging ein Hilferuf von ihm an einen Freund in Südamerika, der Tauber umgehend nach Quito (Ecuador) einlud. Tauber war trotz seiner 75 Jahre noch optimistisch, in einem fernen Land neue Aufgaben zu finden.
Der Plan konnte nicht mehr in die Tat umgesetzt werden: im Juni 1942
wurde Tauber nach Theresienstadt deportiert, wo er ein Monat später
am 26. Juli starb - ein vom Schicksal nicht immer begünstigtes Mathematikerleben hat ein tragisches Ende gefunden.
Anmerkung: dieser Lebenslauf ist eine Kurzfassung der wesentlich ausführlicheren und sehr zu empfehlenden Biographie [1] von Ch. Binder. Dort findet sich auch
eine vollständige Bibliographie der 71 Veröffentlichungen Taubers.
MATHEMATISCHE LEISTUNGEN:
Taubers mathematisches Vermächtnis besteht einerseits in Arbeiten vorwiegend
zur Analysis (eine Ausnahme ist die 1888 entstandene Dissertation
"Über einige Sätze der Gruppentheorie", andererseits in knapp
50 versicherungsmathematischen Arbeiten, die im Zeitraum 1897-1940
erschienen sind.
Unter seinen Schriften zur Analysis findet sich eine "Perle" (siehe [2]),
die ihn als Mathematiker unvergessen gemacht hat: im Alter von dreissig Jahren bewies Tauber einen Satz aus der Theorie der unendlichen Reihen [3],
welcher Vorläufer einer ganzen Reihe von Sätzen ist, die ab dem Jahre 1913
nach ihm "Taubersche Sätze" genannt werden.
Vor allem von den Mathematikern G.H. Hardy, J.E. Littlewood und N. Wiener
wurden diese Sätze für die Untersuchung von Reihen, Integralen
und Limitierungsverfahren eingesetzt. Dass dieses Thema immer noch aktuell ist, zeigt das im Jahre 2004 in der bekannten Reihe "Grundlehren der mathematischen Wissenschaften" des Springer-Verlages als Band 329 erschienene Buch
"Tauberian Theory".
Aber auch im Internet findet man mit Hilfe der Suchmaschine "google" Hunderte
von links zu diesem Mathematiker und zu Anwendungen seines wichtigen Satzes.
Die anderen Veröffentlichungen Taubers zur Analysis beschäftigen sich mit Fragen der komplexen Analysis (Poissonsches Integral, Werteverlauf analytischer Funktionen, Weierstraßsche Funktion, hyperelliptische Funktionen),
sowie der Potentialtheorie, der Gammafunktion, dem Integrallogarithmus
und in einer Folge von sieben Arbeiten mit der Integration von linearen Differentialgleichungen.
LITERATUR:
[1] Ch. Binder, Alfred Tauber (1866-1942). Ein österreichischer Mathematiker. Jahrbuch Überblicke Mathematik, Vol.17, 1984, 151-166,
Bibliographisches Institut AG, Mannheim.
[2] Karl Sigmund, Failing Phoenix: Tauber, Helly, and Viennese Life Insurance.
The Mathematical Intelligencer, Vol. 26, No. 2, Spring 2004,
Springer-Verlag New York.
[3] A. Tauber, Ein Satz aus der Theorie der unendlichen Reihen.
Monatshefte für Mathematik und Physik, Bd. 8 (1897), S.273-277.