Gödel Kurt
Gödel wurde am 28. April 1906 in, Brünn, dem heutigen Brno in Tschechien, geboren als Sohn der Frau Marianne Gödel. die aus dem Rheinland stammte, und des Vaters Rudolf, eines gebürtigen Wieners, der als Direktor und Partner eines der führenden Textilunternehmen in Brünn arbeitete. Er stammte also aus einer wohlsituierten und darüber hinaus überaus kultivierten Familie. Er hatte einen um vier Jahre älteren Bruder, Rudolf, der Medizin studierte und sich später als Radiologe einen guten Namen machte.
Volksschule und Gymnasium besuchte Gödel in Brünn
und inskribierte 1924 an der Universität Wien, wo zu seinen Lehrern
so angesehene Mathematiker, wie Furtwängler. Hahn, Menger und Wirtinger,
und die Philosophen Schlick und Gomperz um nur einige zu nennen zählten.
Er promovierte 1929 mit einer von Hahn und Furtwängler approbierten Arbeit,
die den Titel "Über die Vollständigkeit des Funktionskalküls" trug und die ihn
auf Anhieb in die erste Reihe der zeitgenössischen Mathematiker katapultierte.
Diese Arbeit enthält den sogenannten Gödelschen Vollständigkeitssatz,
der in der heute üblichen Fassung besagt, dass die in einer elementaren, formalen Theorie bewiesenen Formeln, also die Sätze der Theorie, genau jene Formeln sind, die in allen Modellen der betreffenden Theorie gelten.
Seine Bedeutung ist unter anderem darin zu erblicken, dass durch ihn
ein enger Zusammenhang zwischen dem Formalen. also dem Beweisbarsein
in der betreffenden Theorie, und dem Inhaltlichen, dem Gültigsein in allen Modellen der betreffenden Theorie vermittelt wird.
Gödel kam zum Thema dieser Arbeit durch das Studium des Buches
"Grundzüge der theoretischen Logik" von Hilbert und Ackermann.
In ihm findet sich, als offenes Problem, die Frage, ob ein gewisses Axiomensystem vollständig ist, d. h. ob es ausreichend umfassend ist, jede logisch wahre Aussage herzuleiten. Und Gödel gelangte zu einer positiven Antwort.
Nur wenig später, nämlich 1932, habilitierte er sich mit seiner berühmten Arbeit,
die den Titel "Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica
und verwandter Systeme" trägt und deren Hauptergebnis als Unvollständigkeitssatz bekannt ist. Dieser besagt, dass es in jeder genügend ausdrucksfähigen, widerspruchsfreien formalen Theorie etwa in der elementaren Zahlentheorie gewisse Aussagen gibt, die in der betreffenden Theorie weder bewiesen noch widerlegt werden können und die also formal als unentscheidbar zu bezeichnen sind.
Die überragende mathematische und erkenntnistheoretische Bedeutung
dieses Unvollständigkeitssatzes kann nicht überschätzt werden.
Er zeigt unter anderem auch die Grenzen des von Hilbert stammenden beweistheoretischen Programms auf, das den Nachweis der Widerspruchsfreiheit
der Mathematik mit finiten Mitteln zum Ziel hat.
Die Venia Legendi erhielt Gödel im März 1933. In dieses Jahr fällt auch sein erster Besuch in Princeton, das später seine dritte Heimat werde sollte.
Die Jahre bis 1939 verbrachte er in Wien, abgesehen von zwei weiteren Besuchen
in den USA. Mehrfache Erkrankungen ernsthafter Art, schon in seiner Wiener Zeit einsetzend, haben seine Arbeit immer wieder unterbrochen.
Gödel gehörte während dieses Dezenniums auch dem Wiener Kreis an,
einer einflussreichen Schule des Neopositivismus.
1929 starb Vater Rudolf; die Mutter übersiedelte daraufhin zu ihren in Wien lebenden Söhnen, sie starb 1966, im hohen Alter von 87 Jahren.
Gödel heiratete 1938 Adele Borkert, die er schon lange kannte und die ihm zeit seines Lebens eine verständnisvolle und stets hilfsbereite Stütze war. Sie war ein froher, lebensbejahender Mensch, der auf Gödel ausgleichend und beruhigend wirkte. Als sie 1976 schwer erkrankte, verschlechterte sich auch sein Befinden,
denn sie war nicht mehr in der Lage, ihren Mann so zu betreuen, wie er es gewohnt war. Er wurde von Depressionen geplagt und von Ängsten gequält, weil er glaubte, er würde vergiftet.
Er starb am 14 Jänner 1978 im Krankenhaus in Princeton, wobei als Todesursache Unterernährung und Inanition, verursacht durch Persönlichkeitsstörungen, angegeben wurde. Adele Gödel überlebte ihren Mann um mehr als drei Jahre.
Das Ehepaar blieb kinderlos.
Im Jänner 1940, also schon nach Kriegsausbruch, erhielt Gödel noch überraschenderweise von den deutschen Behörden die Erlaubnis zu einem weiteren Amerikaaufenthalt, die später wegen der Kriegsereignisse durch einen Urlaub verlängert wurde.
Wegen der Kriegsgefahren reiste er nach Japan und von dort, den Pazifik überquerend, nach San Francisco. Er ließ sich in Princeton nieder, am Institute
for Advanced Studies, dem er zuerst als Mitarbeiter, der von Jahr zu Jahr bestellt wurde, angehörte. 1946 wurde er zum permanenten Mitglied des Institutes
und erst 1953 zum Professor ernannt.
Im illustren Rahmen des Institutes lernte Gödel insbesondere Einstein,
von Neumann und Morgenstern näher kennen, mit denen ihn freundschaftliche
und fachliche Beziehungen verknüpften.
Das dritte hoch bedeutende Resultat Gödels aus der mathematischen Logik
und den Grundlagen der Mathematik betrifft die Mengenlehre.
Zwei Probleme hat die Mathematiker seit der Schaffung der Mengenlehre
durch Cantor in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts besonders beschäftigt: Das Wohlordnungsprinzip und die Mächtigkeit des Kontinuums. Nachdem Cantor bewiesen hatte, dass das Kontinuum nicht abzählbar ist,
vermutete er, dass seine Mächtigkeit gleich der kleinsten unter allen Mächtigkeiten von überabzählbaren Mengen ist. Diese Vermutung wurde unter dem Namen Kontinuumshypothese bekannt. In seinem berühmtem Vortrag in Paris im Jahr 1900 hat David Hilbert 23 Probleme formuliert, von deren Studium und Lösung
er sich wesentliche Fortschritte der Mathematik versprach, das erste dieser Probleme forderte die Untersuchung der Kontinuumshypothesen. Diesem Fragenkreis wendete sich Gödel nun noch in seiner Wiener Zeit, Mitte der dreißiger Jahre zu.
In seinen Untersuchungen spielte auch das Auswahlaxiom eine wesentliche Rolle, das folgendes besagt Zu jeder Menge M gibt es eine Funktion f, die für alle nichtleeren Teilmengen X von M definiert ' ist und die aus allen diesen Teilmengen von M ein Element f(X) auswählt. Gödels Hauptresultat, zu dem er im Sommer 1937 gelangte, bestand darin, nachzuweisen, dass das Auswahlaxiom und die Kontinuumshypothese mit jenem Axiomensystem für die Mengenlehre,
das von Zermelo Fraenkel stammt, konsistent sind und nicht widerlegt werden können. sofern die Axiome von Zermelo Fraenkel konsistent sind.
Mit diesen Ergebnissen von Gödel blieben für die Kontinuumshypothese
und das Auswahlaxiom immer noch zwei Möglichkeiten: Beweisbarkeit
und Unentscheidbarkeit.
Erst 1963 gelang es P. J. Cohen, dieses Problem und auch noch andere Fragen
der Mengentheorie zu klären: Er zeigte, dass unter der Voraussetzung
der Widerspruchsfreiheit der Zermelo Fraenkelschen Mengentheorie
das Auswahlaxiom nicht beweisbar ist und dass selbst bei Erweiterung
des ZermeloFraenkelschen Axiomensystems um das Auswahlaxiom
die Kontinuumshypothese nicht bewiesen werden kann.
Gödel hat sich in den vierziger Jahren, eingehend mit diesen Fragen befasst
und auch einige Fortschritte erzielt, aber die Resultate von Cohen nicht erhalten. Darüber gibt Gödels Nachlass Aufschluss.
Etwa von 1943 an widmete sich Gödel fast ausschließlich der Philosophie.
Vorerst der Philosophie der Mathematik, worüber er 1944 eine überaus wichtige Arbeit über Russells mathematische Logik und seine eigenen platonistischen Gedanken über die Realität abstrakter mathematischer Objekte verfasste.
Ein Überblicksartikel über die Cantorsche Kontinuumshypothese aus dem Jahr 1947 präsentierte seine mathematisch philosophischen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Mengenlehre. Dann wandte er sich allgemeinen philosophischen Studien zu, insbesondere der Lektüre der Schriften von Kant und Leibniz und, gegen Ende der fünfziger Jahre, der Phänomenologie von Husserl.
In Gödels Nachlass finden sich umfangreiche stenografische Aufzeichnungen darüber, insbesondere über Leibniz. Dieses Interesse für den deutschen Philosophen teilte er mit Morgenstern, mit dem er während vieler Jahre über ihn diskutierte und mit dem er unveröffentlichte Leibnizsche Manuskripte studierte, die er sich aus Hannover besorgen ließ.
Diese philosophische Periode, die bis zu Gödels Lebensende andauerte, wurde nur durch einige überraschende Arbeiten zur allgemeinen Relativitätstheorie während der Jahre 1947 bis 1951 unterbrochen. Darin entwickelte er neue und ungewöhnliche kosmologische Modelle, die Zeitreisen in die Vergangenheit theoretisch möglich machen.
Die Anregung für die Beschäftigung resultierte nicht, wie zu erwarten wäre,
aus den täglichen Gesprächen mit Einstein, sondern aus Gödels Studium
der Kantschen Gedanken zu Raum und Zeit.
Den mathematischen Apparat für diese Arbeiten etwa Riemannsche Geometrie
hat sich Gödel noch in seiner Wiener Zeit in Mengers Kolloquium erarbeitet.
Einstein bezeichnete Gödels Beiträge zur Relativitätstheorie als wichtige Fortschritte sowohl der physikalischen als auch der philosophischen Gesichtspunkte seiner Theorie.
Ab 1951 wurde Gödel mit Ehren überhäuft. Er bekam Auszeichnungen aller Art:
Er wurde Mitglied verschiedener Akademien, er erhielt zahlreiche Ehrendoktorate, und im Jahr 1975 wurde ihm die besonders ehrenvolle hohe Auszeichnung
der National Medal of Science durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten zuteil. Auch viele Besucher stellten sich in Princeton ein, um mit Gödel zu sprechen
und von ihm Anregungen zu erhalten. Dem verschloss er sich nur selten,
und er geizte nicht mit seinen Gedanken.
Leider verschlechterte sich sein Gesundheitszustand mit Anfang der siebziger Jahre, so dass er sich nicht mehr mit jener Intensität seinen Interessen widmen konnte, wie er das sicher gewollt hätte.
Der schon mehrfach erwähnte Nachlass Gödels ist sehr umfangreich,
er enthält 16 mathematische Arbeitsbücher und 14 Bände philosophischer Notizen und ein Konvolut von etwa tausend Seiten, der Gödels eigene philosophische Ansichten enthält.
Die Bearbeiter des Gödelschen Nachlasses, der bisher fast unveröffentlicht ist, erwarten nicht, darin wesentlich Neues zu entdecken, auch wenn man berücksichtigt, dass Gödel überaus vorsichtig und gewissenhaft bei der Veröffentlichung seiner Arbeiten war. Nichts weist darauf hin, dass er wichtige mathematische oder philosophische Einsichten zurückgehalten hätte.
d die ersten zwei Bände bereits erschienen. Was die bleibende Bedeutung des Gödelschen Werkes betrifft, soll der bekannte Wiener Logistiker und gute Gödel Kenner C. Christian zitiert werden.
Er sagt, dass Gödel einer der bedeutendsten Mathematiker insbesondere Logistiker ganz gewiss nicht bloß seiner Epoche allein war und dass seine Resultate
zu den wirklich großen Einsichten in Mathematik und Logistik gehören.